Orchideen in Baden-Württemberg
Epipactis muelleri Godf.
Müllers Stendelwurz
Synonyme: Helleborine latifolia subsp.muelleri, Epipactis helleborine subsp. muelleri, E. latifolia var. muelleri, Parapactis epipactoides
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Merkmale
Rhizomgeophyt, aus dem jährlich neue Rhizomglieder treiben, die zunächst unterirdisch überwintern. Hieraus treiben im Frühsommer blühende Sprosse, die zur Büschelbildung neigen. Der Stängel erreicht Höhen zwischen 30 und 60 cm. Auf 1 - 3 braune Schuppenblätter folgen 6 – 14 gelblichgrüne, zuweilen auch dunkelgrüne, angedeutet zweizeilig angeordnete Laubblätter. Sie sind rinnig gefaltet und vielnervig, lang und lanzettlich zugespitzt, am Rande häufig wellig und sichelartig nach außen gebogen. Die unteren Blätter sind 3 – 9 cm lang und 1,4 – 4 cm breit; zur Mitte des Blattstandes werden die Blätter größer; nach oben werden sie wieder kleiner und gehen tragblattartig in den Blütenstand über.
Der einseitswendige Blütenstand ist langestreckt und filzig behaart. Die unteren Tragblätter sind doppelt so lang wie der Fruchtknoten; nach oben werden sie kürzer. Der Stängel trägt 18 – 45 kleine bis mittelgroße, hängende Blüten, die glockig oder auch weit geöffnet sein können. Die Hauptfarbe der Blüten ist gelblichgrün bis weißlichgrün, die Petalen heller gefärbt als die Sepalen. Die seitlichen Sepalen hängen nach unten, sind lanzettlich gekielt und an der Spitze kapuzenartig geformt. Ihre Länge beträgt zwischen 9-12 mm, ihre Breite 4-5 mm. Die Petalen sind eiförmig zugespitzt, 8-10 mm lang und 4-4,5 mm breit. Die Hinterlippe ist auffällig breit und napfförmig mit einem dunkel braunen, Nektar führenden Grund, an den seitenweißlich bis gelblichgrün. Breite und Länge erreichen 4-5 mm. Die Vorderlippe ist breit herzförmig, am Rand gewellt, die Spitze kurz nach dem Aufblühen nach hinten gebogen. Auf der Vorderlippe finden sich flache Längsrippen; sie ist weiß gefärbt mit grünlichen Nerven, zuweilen auch rosa überlaufen. Sie ist3,5-4,5 mm lang und 4-4,5 mm breit. Ein wichtiges Kennzeichen zur Unterscheidung von anderen weißblütigen Arten ist der breit offene Durchgang zwischen der Hinter- und Vorderlippe. Auch in der frischen Blüte fehlt bereits eine Rostelldrüse; ebenso ist ein Klinandrium (Pollenschüssel an der Spitze der Säule) nicht vorhanden, die Pollinarien sind ungestielt. Aufgrund dieses Blütenaufbaues ist die Art selbstbestäubend; die Pollinien bröseln bereits in der frischen Blüte und fallen auf die darunter liegende Narbe.
Vegetations- und Blühzeiten
Der Austrieb erscheint Anfang Mai. Die Blüte beginnt in günstigen Lagen Ende Juni, also vor E. helleborine, und erstreckt sich in höheren Lagen in Baden-Württemberg bis Ende Juli.
Variabilität
Die Variabilität ist gering und betrifft neben Schwankungen in der Zahl und Färbung der Blüten vor allem den Habitus, der in schattigen Lagen breitere, dunklere sowie längere Blätter aufweisen kann als in sonnigen Lagen. Hierbei handelt es sich um ein auch bei anderen Arten vorkommendes Phänomen.
Hybriden
Sie sind beschrieben mit E. atrorubens, E. helleborine sowie E. leptochila.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Bei allen anderen Arten sind die Blätter am Rande nicht gewellt. Bei E. helleborine sind sie nicht lang und sichelförmig gebogen; die Blüten sind größer und besitzen eine Rostelldrüse; der Durchgang zwischen Vorder- und Hinterlippe ist wesentlich schmaler. Bei E. leptochila sind die Blätter breiter, nicht so stark gekielt; die Vorderlippe ist spitz vorgestreckt auch bei nicht mehr frischen Blüten. Bei E. leptochila subsp. neglecta ist der Durchgang zur Vorderlippe schmal gerundet oder fast spitz, eine Rostelldrüse meistens in der frischen Blüte noch vorhanden.
Wuchsorte
Diese Art besiedelt trockenwarme Standorte in lichten Wäldern bzw. Waldrändern, an Gebüschen und Hecken. Sie kommt in tiefen und vor allem Mittelgebirgslagen vor.
Verbreitung
E. muelleri ist an basenreiche, meist kalk- oder dolomithaltige Lehm-,Ton- oder Lößboden gebunden. Somit gedeiht sie nicht auf den Urgesteinen des Schwarzwaldes und auf Sandsteinböden, kommt aber in den Landschaften mit Kalk- oder dolomithaltigen Böden mehr oder weniger verbreitet vor.
Gefährdung
Diese Art ist im Bestand nicht gefährdet, aber bedroht durch häufige Besiedlung von Wald- und Wegrändern an Gebüschen. Diese unterliegen einem höheren Druck durch Nutzungsänderungen als Waldlagen.
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Epipactis muelleri - In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg): Die Orchideen Deutschlands: 404 – 408.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten:- Stuttgart.
Text: Dietrich Bergfeld
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